Deutsch/English

Rechtsvergleichende Privatrechtliche Forschungswerkstatt

 

Leitung der Forschungswerkstatt

Leiterin der Forschungswerkstatt: Prof. Dr. Tekla Papp DSc, NKE.

Leitender Forscher der Forschungswerkstatt: Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Küpper, AUB.

Mitglieder:

Prof. Dr. Gergely Deli DSc, NKE;

Doz. Dr. Ádám Auer PhD, NKE;

Oberass. Dr. Miklós Szirbik PhD, LL.M., NKE, AUB;

Ass. Dr. Béla Csitei PhD, NKE.

Koordinatorin, Administratorin:

Zsófia Ágnes Asztalos, NKE.

_________________________________________________________________________________________________

Forschungsziele

Das Privatrecht und das öffentliche Recht treffen in zahlreichen Rechtsgebieten aufeinander, was sich häufig in Überlappungen bei der Normsetzung und in Wechselwirkungen in der Rechtspraxis, etwa in Gerichtsentscheidungen, niederschlägt. In diesen juristischen Grenzgebieten treten das Privatrecht und das öffentliche Recht dergestalt miteinander in Interaktion, dass sich in einzelnen Rechtsverhält­nissen privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Elemente mischen und ggf. vermischen. Klassische Beispiele sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, das öffentliche Eigentum und die Sachenrechte, die öffentlich-rechtlichen Rechtssubjekten zustehen (können), die öffentlich-rechtli­chen oder verwaltungsrechtlichen Verträge oder auch der Ersatz von Schäden, die öffentlich-rechtli­che Rechtssubjekte verursacht haben, einschließlich des Ersatzes von Schäden für Rechtsetzung. Eine Querschnittsfrage ist die öffentlich-rechtliche Infrastruktur bestimmter privatrechtlicher Rechtsver­hältnisse, z.B. die behördlichen Register (Grundbuch, Firmenregister, Vereinsregister), die Verwal­tungsverfahren, die bestimmte privatrechtliche Rechte und Pflichten begründen, gestalten oder been­den (z.B. Nachlassverfahren, Schließung und Aufhebung einer Ehe, Adoption, behördliche Geneh­migung genehmigungspflichtiger Rechtsgeschäfte). Die Strukturen dieser hybriden Rechtsverhält­nisse können nur zutreffend erfasst und die auftauchenden Fragen nur sinnvoll beantwortet werden, wenn das betreffende Privatrecht und öffentliche Recht parallel, gemeinsam und aufeinander bezogen angewendet werden. Das setzt die Einbeziehung der privatrechtlichen und der öffentlich-rechtlichen Elemente gleichermaßen voraus. Auch den Gesetzgeber stellt die Regelung solcher Rechtsgebiete naturgemäß vor besondere Herausforderungen. Zugleich sind diese Grenzgebiete nicht ausreichend erforscht, denn sowohl Privatrechtler als auch Öffentlich-Rechtler halten sich bei der detaillierten Analyse hybrider Strukturen zurück.

Zweck der Rechtsvergleichenden Forschungswerkstatt „Juristisches Grenzland: Die Berührungs­punkte zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht in hybriden Rechtsgebieten“ ist es, die gemisch­ten (hybriden) Strukturen zu erforschen und auszuwerten, die diese bisher verhältnismäßig stiefmüt­terlich behandelten Rechtsgebiete charakterisieren. Die forschungsleitende Frage lautet:

„Wo genau verläuft in gemischten Rechtsgebieten und hybriden Rechtsverhältnissen die Grenze zwischen den privatrechtlichen und den öffentlich-rechtlichen Elementen, und wie interagieren und beeinflussen sich die unterschiedlichen, privat- und öffentlich-recht­lichen Elemente?“

Mit einer gewissen Vereinfachung verstehen wir unter Privatrecht die Elemente, die das gegebene Rechtsverhältnis horizontal strukturieren, und unter öffentlichem Recht die vertikal strukturierten Verhältnisse. Die Identifizierung der privat- und der öffentlich-rechtlichen Elemente und die vertiefte Analyse ihrer Interaktion können in erster Linie mit dem Instrumentarium der juristischen Dogmatik durchgeführt werden, erfordern aber auch unter anderem Forschungen auf den Gebieten der Rechts­praxis, Rechtssoziologie, Legistik, Rechtsnormlehre und Rechtsgeschichte. Über die Rechtswissen­schaft hinaus werden auch Vertreter der Politik- und der Wirtschaftswissenschaften in dem notwen­digen Maße einbezogen.

Seit den Tagen des römischen Rechts bildet die Unterscheidung zwischen dem Privatrecht und dem öffentlichen Recht ein grundlegendes Strukturprinzip der kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen. Deshalb werden die genannten Forschungen sinnvollerweise eingebettet in die Rechtsvergleichung durchgeführt. Im Zentrum der Forschung stehen drei mitteleuropäische Rechtsordnungen, die sich sowohl historisch als auch aktuell gegenseitig beeinflussen und befruchten:

­– das ungarische,

– das österreichische und

– das deutsche Recht.

Ihre Ähnlichkeit gewährleistet, dass auch kleinere dogmatische Abweichungen Erkenntnisgewinne bringen. Zugleich sind sie hinreichend verschieden, sodass ihre vertiefte Analyse im Sinne der ge­nannten Forschungsleitfrage eigenständige Ergebnisse verspricht. Diese drei Rechtsordnungen bilden zudem den Ausgangspunkt, weitere wichtige mitteleuropäische Rechtsordnungen wie etwa das pol­nische oder das tschechische Recht in die Arbeit der Forschungswerkstatt einzubeziehen. Schließlich können das französische und britische (englisch-walisische) Recht als Kontrast dienen und so helfen, spezifisch mitteleuropäische Gemeinsamkeiten zu erkennen.

 

Aufgaben der Forschungswerkstatt

Die Forschungswerkstatt vertieft sich in jedem Jahr in jeweils ein hybrides Rechtsgebiet (juristische Personen, Eigentum/Sachenrecht, Verträge, Schadensersatz, jeweils zusammen mit der dazugehöri­gen öffentlich-rechtlichen Infrastruktur). Am Ende des fünften Forschungsjahres stehen eine zusam­menfassende Analyse und eine Abschlussveranstaltung, auf der Handlungsvorschläge und -anleitun­gen für die Praxis diskutiert werden.

Vor Beginn der Teilforschungen wird als Eröffnung des Forschungsprogramms in einem Workshop, an dem idealerweise alle Mitglieder der Forschungswerkstatt teilnehmen, die gemeinsame begriffli­che Basis gelegt, indem die grundlegenden konzeptionellen Fragen, insbesondere die Definition und Operationalisierung von Privatrecht und öffentlichem Recht, geklärt werden. Das stellt die folgenden Forschungen zu den einzelnen Rechtsgebieten auf ein gemeinsames stabiles theoretisches und dog­matisches Fundament.

Aufgaben im Zusammenhang mit den jährlichen Forschungen:

a) Organisation und Durchführung von zwei Veranstaltungen:

– im ersten Halbjahr: Bestandsaufnahme des Stands der Rechtswissenschaft und der Rechtspraxis auf dem gegebenen Rechtsgebiet und Formulierung der Möglichkeiten, die die Rechtsvergleichung bie­tet;

– im zweiten Halbjahr: Verbreitung, Diskussion und Vergleich der Fortschritte der Werkstattfor­schungen sowie Identifizierung der noch offenen Fragen. Nach Ende der Werkstattgespräche gelten die Teilforschungen der Werkstattmitglieder sowie die wissenschaftlichen Beiträge der einzubezie­henden externen Fachleute als abgeschlossen. Dann können die Ergebnisse publiziert werden.

Im Verlauf dieser Forschungen organisiert die Werkstatt je nach Bedarf Symposien im Hinblick auf die noch zu klärenden Rechtsfragen.

b) Die Forschungswerkstatt veröffentlicht die Teilforschungen der Mitglieder in einer „Working pa­per“-Reihe im Internet. Das soll auch externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Reflexi­onen und Kommentaren einladen.

c) Die Werkstatt betreibt eine Internetplattform, in deren geschlossenem Teil die Werkstattmitglieder untereinander diskutieren können. Die Ergebnisse dieser Diskurse können im Anschluss daran auch weiteren Kreisen bekannt gemacht werden.

d) Die Mitglieder der Werkstatt betreuen fortlaufend die Arbeit der jungen Forscherinnen und For­scher, die ein „Team Junger Forscher“ bilden, welches sich auf den Nachwuchs der Andrássy Deutschsprachigen Universität Budapest stützt und Mitglieder der Fachkollegien und Doktoranden der Nationalen Universität für den Öffentlichen Dienst einbezieht. Das Team Junger Forscher ver­sieht seine Arbeit im Anschluss an das gegebene Forschungsthema im Rahmen eines Kurses unter Leitung von Prof. Herbert Küpper. Die Jungen Forscher treffen sich regelmäßig, bewerten den Fort­schritt ihrer Arbeit und nehmen untereinander die „peer review“ wahr.

e) Die Werkstatt veröffentlicht die Ergebnisse der Teilforschungen nicht nur in der eigenen „Working paper“-Reihe im Internet, sondern auch in deutsch-, englisch- und/oder französischsprachigen Fach­organen. Hierfür stehen unter anderem die Fachzeitschriften „Jahrbuch für Ostrecht“ und „Wirtschaft und Recht in Osteuropa“ und die Buchreihe „Studien des Instituts für Ostrecht“ als seit langem be­stehende Publikationsorgane von hohem fachlichem Prestige, die eine breite Sichtbarkeit gewährleis­ten, zur Verfügung. Ungarischsprachige Publikationen werden in der Fachzeitschrift Opuscula Ci­vilia, die in der D-Liste der Ungarischen Akademie der Wissenschaften geführt wird, veröffentlicht. Insoweit sich die Möglichkeit ergibt, planen die Mitglieder der Werkstatt im fünften und abschlie­ßenden Projektjahr im Rahmen des Ludovika Verlags das Erscheinen eines E-Buchs.

 

Forschungskonzeption in jährlicher Aufgliederung:

1. Juristische Personen im öffentlichen Recht und im Privatrecht

a) der Staat als Rechtssubjekt im öffentlichen und im Privatrecht;

b) spezifisch öffentlich-rechtliche Rechtsformen für juristische Personen (z.B. die deutsche öffent­lich-rechtliche Anstalt, das ungarische költségvetési szerv [Haushaltsorgan]);

c) Rechtsformen juristischer Personen, die im Privatrecht und im öffentlichen Recht gleichermaßen existieren (z.B. Stiftungen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts);

d) juristische Personen des Privatrechts, die von öffentlich-rechtlichen Rechtssubjekten gegründet werden können (einschließlich der Wirtschaftsunternehmen mit staatlicher oder kommunaler Betei­ligung);

e) die öffentlich-rechtliche Infrastruktur der juristischen Person (z.B. Firmenverzeichnis, Vereinsre­gister, Stammbuchregister, Handelsregister).

2. Öffentliches Eigentum und Sachenrechte, die öffentlich-rechtlichen Rechtssubjekten zustehen (kön­nen)

a) das öffentliche Eigentum als sachenrechtliche Kategorie (z.B. in Deutschland ist Eigentum [fast] immer privatrechtlich, auch wenn der Eigentümer ein öffentlich-rechtliches Rechtssubjekt ist ó in Frankreich bildet der domaine public eine vom Privateigentum jedenfalls in einigen Punkten abwei­chende sachenrechtliche Kategorie);

b) Besonderheiten öffentlich-rechtlicher Rechtssubjekte als Eigentümer (Abweichungen von den Ei­gentümerkategorien des Privatrechts z.B. durch Haushalts- oder öffentliches Vermögensrecht);

c) Sachenrechte, die öffentlich-rechtlichen Rechtssubjekten zustehen: inhaltliche Abweichungen von den Sachenrechten in der Hand privatrechtlicher Inhaber (z.B. im Hinblick auf Sachen, die aus­schließlich im Eigentum öffentlich-rechtlicher Eigentümer stehen können);

d) Erbrecht des Staates (der Staat als testamentarischer Erbe und als gesetzlicher letzter Erbe);

e) die öffentlich-rechtliche Infrastruktur der Sachenrechte (z.B. Grundbuch, Kataster, Pfandrechtsre­gister, Nachlassverfahren).

3. Öffentlich-rechtliche Verträge

a) das öffentlich-rechtliche Rechtssubjekt als Vertragspartei (Besonderheiten z.B. bei Willenserklä­rungen, Vertretung etc.);

b) die eigene Dynamik öffentlich-rechtlicher Verträge (Vertragsschluss, Ungültigkeit, Unwirksam­keit, Vertragsänderung, Vertragsverletzung, Erlöschen und Beendigung des Vertrags);

c) die eigene Statik öffentlich-rechtlicher Verträge (Vertragsparteien, unmittelbare und mittelbare Gegenstände, Vertragsinhalt);

d) die öffentlich-rechtliche Infrastruktur privatrechtlicher Verträge (z.B. an behördliche Genehmi­gungen gebundene Rechtsgeschäfte, Kreditsicherungsregister).

4. Ersatz von Schäden, die öffentlich-rechtliche Rechtssubjekte verursacht haben

a) Besonderheiten öffentlich-rechtlicher Rechtssubjekte als Schadensverursacher (Charakter des schädigenden Verhaltens, Rechtsgrund und Umfang der Haftung, Voraussetzungen der Einstands­pflicht, Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe);

b) Schäden durch Normsetzung;

c) Schäden durch Rechtsanwender (Gerichte, Staatsanwaltschaften etc.);

d) die Person, die für öffentlich-rechtliche Schadenszufügung einsteht, haushaltsrechtliche Decke­lung des Schadensersatzanspruchs, Anspruchsdurchsetzung auf öffentlich-rechtlichem und/oder zi­vilrechtlichem Weg.

5. Zusammenfassende Thesen sowie Formulierung von Handreichungen und Vorschlägen für die Praxis

Hierbei soll die Natur der Teilnahme der öffentlichen Verwaltung besonders berücksichtigt werden (ist die Teilnahme der öffentlichen Verwaltung konstitutiv oder deklarativ?: Registrierung, Geneh­migung, Zustimmung, Kontrolle etc.; besteht ihre Rolle in der Beeinflussung, der Genehmigung, der Gestaltung oder der Änderung des Willens etc.)